Magnus Hirschfeld
Magnus Hirschfeld kämpfte schon vor mehr als 100 Jahren für LGBTQ+-Rechte und -Toleranz. Was waren seine Ziele? Lasst uns es gemeinsam herausfinden.
geschichtelgbtq+
19.06.2023

Die Erste Homosexuelle Bewegung ✊
Deutschland ist heute dafür bekannt, dass es Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender Personen akzeptiert und deren Rechte verteidigt. Insbesondere Berlin ist für seine lebendige und vielfältige schwule Kultur bekannt.
Dies entwickelte sich in Deutschland im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert mit der ersten Homosexuellen Emanzipationsbewegung. Besonders in der Weimarer Republik wurden hier damals Fortschritte gemacht.
Während Homosexualität in den 20er und 30er Jahren nach deutschem Strafrecht verboten war, half die relativ fortschrittliche Kultur dieser Zeit ein offenes Umfeld zu schaffen, in welchem Schwule & Lesben erstmals mehr Gehör fanden.
Schon zu dieser Zeit hatte Berlin den Ruf der 'schwulen Hauptstadt' inne, welcher leider mit der Machtübernahme des NS-Regimes brutal bekämpft, und erst nach Kriegsende wieder aufgegriffen wurde.
Lasst uns jetzt einen genaueren Blick auf eine der zentralen Personender ersten Homosexuellenbewegung werfen: Magnus Hirschfeld.
1867 | Karl Heinrich Ulrichs ist der erste Homosexuelle, der sich öffentlich outet und gegen Anti-Homosexuellen-Gesetze kämpft. |
1871 | Der Paragraph §175 macht homosexuelle Handlungen illegal. |
1896 | Die erste Zeitschrift für Homosexuelle, 'Der Eigene', wird gegründet. |
1908 | In Berlin gibt es 'Transvestitenausweise': Menschen können sich jetzt kleiden, ohne Angst vor der Polizei haben zu müssen. |
1919 | Das 'Institut für Sexualwissenschaft' wird gegründet. |
1919 | Anna Elizabet Weirauch veröffentlicht Deutschlands ersten Roman über Frauenliebe: Der Skorpion |
1931 | Dora Richter ist die erste Person, die sich bei Hirschfeld einer vollständigen Geschlechtsumwandlung unterzieht. |
1933 | Die Verfolgung von Homosexuellen unter dem Naziregime beginnt. |

Magnus Hirschfeld 🥸
Magnus Hirschfeld (1868 - 1935) war ein deutsch-jüdischer Arzt & Sexologe. Er arbeitete zur Zeit der Weimarer Republik in Berlin und war einer der wichtigsten Aktivisten für sexuelle Minderheiten.
Hirschfeld gründete das 'Wissenschaftlich-humanitäre Komitee' in 1897, das sich für die soziale Anerkennung schwuler, bisexueller und transgender Männer und Frauen einsetzte. Dies war die erste Organisation für LGBT-Rechte in der Geschichte.
Das wichtigste Ziel der Organisation war die Entkriminalisierung von Homosexualität.
Sie unterstützte Angeklagte bei Strafverfahren, organisierte öffentliche Vorträge und sammelte Unterschriften zur Aufhebung des Paragraphen §175, welcher sexuelle Handlungen unter Männern bestrafte. Unterzeichner dieser Petition waren unter anderem: Albert Einstein, Käthe Kollwitz, Hermann Hesse, Leo Tolstoi, Thomas Mann & Rainer Maria Rilke.
Leider gewann die Petition nicht die Unterstützung des Parlaments und das Gesetz blieb bestehen. Erst 1994 wurde es vollständig aufgehoben / ausser Kraft gesetzt.






Albert Einstein, Käthe Kollwitz, Hermann Hesse, Leo Tolstoi, Thomas Mann und Rainer Maria Rilke unterzeichneten alle eine Petition für die Entkriminalisierung der Homosexualität

Kostümfest am Institut für Sexualwissenschaft
Das Institut für Sexualwissenschaft
Zusammen mit seinem Mitarbeiter Arthur Kronfeld eröffnete Hirschfeld 1919 in Berlin das 'Institut für Sexualwissenschaft' - ein Forschungsinstitut für Sexologie.
Das Institut leistete Pionierarbeit in der Sexualwissenschaft, und befasste sich auch mit Homosexualität, Transgender und Intersexualität. Es schuf einen sicheren Raum für die queere Gemeinschaft und bat in diesem Zusammenhang auch Ehe- und Sexualberatung an.
Zu dieser Zeit gelang es Hirschfeld auch, eine Bibliothek zusammenzustellen, welche sich thematisch auf gleichgeschlechtliche Liebe, Erotik & Sexualwissenschaft konzentrierte. Als Hitler 1933 an die Macht kam, wurden diese Bücher bei den Bücherverbrennungen der Nazis vernichtet.
Hirschfelds Selbstmord-Studie
Während der Zeit als Arzt stellte Hirschfeld fest, dass viele seiner schwulen Patienten Selbstmord begingen - ein Tabu, über das im Deutschland des 19. Jahrhunderts nicht gesprochen wurde.
Daher führte er eine Studie durch (die erste ihrer Art), welche Beweise dafür lieferte, dass schwule Männer in Deutschland mit höherer Wahrscheinlichkeit Selbstmord begehen als heterosexuelle Männer.
Hirschfeld benutzte diese Erkenntnisse, um dafür zu argumentieren, dass das Leben unter den damals herrschenden sozialen Bedingungen für schwule Männer unerträglich war.

Ein Ausschnitt aus dem Film 'Anders als die Andern'
Anders als die Andern 🎥
Hirschfeld war auch Co-Autor des Films 'Anders als die Andern' (1919), welcher Homosexualität als erster Film offen behandelte. Der Film handelt von den Schwierigkeiten eines schwulen Mannes und setzt sich mit Themen wie sozialem Druck, Erpressungsanfälligkeit und Selbstmord auseinander.
Am Ende des Films spricht Hirschfeld eine Botschaft aus, welche das schwule Publikum ermutigen sollte, vom Selbstmord abzulassen und auf soziale Veränderung zu hoffen.
Bücherverbrennungen & Exil
Als das NS-Regime 1933 an die Macht kam, wurde das Institut für Sexualwissenschaft gewaltsam geschlossen. Studenten des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes stürmten das Gebäude und zerstörten die Räumlichkeiten.
Später verbrannten die Nazis die Bücher aus der Institutsbibliothek im Rahmen der Bücherverbrennungen. Alle vom NS-Regime als 'undeutsch' eingestufte Literatur sollte vernichtet werden.

Deutsche Studenten verbrennen Bücher in Berlin.

Ein von den Nazis organisierter Marsch, der am Institut für Sexualwissenschaft vorbeiführt, 1933.
Als dies geschah, war Hirschfeld im Ausland im Exil. Als Verfechter von Homosexuellenrechten, doch auch als Jude, schwand seine Hoffnung, je wieder nach Berlin zurückkehren zu können.
Unter dem neuen Nazi-Regime begann man nun, Homosexuelle zu verfolgen. Damit kam die erste Homosexuellenbewegung zu einem tragischen Ende. Hirschfeld starb 1935 an einem Herzinfarkt. Auf seinem Grabstein in Nice steht auf Latein das Motto 'Per Scientiam ad Justitiam' - durch Wissenschaft zu Gerechtigkeit.